BiowerkstoffeFachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.

 

Nachhaltig verbunden

Kleben und Binden als klassische Verbindungstechniken sind heutzutage aus kaum einem Industriezweig wegzudenken. Auch als Verbraucher sind wir umgeben von Produkten, bei denen Teile "geklebt" wurden: von der Cornflakes-Packung über Komponenten im Smartphone und sogar im Auto bis hin zum Fliesenkleber im Bad oder dem Bindemittel in der Küchenplatte.

Der Klebstoffsektor produziert laut Branchenverband IVK (Industrieverband Klebstoffe e. V.) in Deutschland jährlich fast 1,4 Millionen Tonnen Kleb-, Dicht- und zementäre Bauklebstoffe sowie 1 Milliarde Quadratmeter trägergebundene Klebstoffe (Klebebänder/Klebefolien). Die Bedeutung ist - auch aus technologischer Sicht - enorm.

Weltweit gibt es mehr als 250.000 unterschiedliche Klebstoffformulierungen, so der Branchenverband, deren Performance von der jeweiligen Anwendung bestimmt wird. Hier haben nachwachsende Rohstoffe zurzeit einen Anteil von etwa 15%. Der Anteil biogener Rohstoffe bei der Herstellung von Klebstoffen hat über die Jahre tendenziell abgenommen. Erst seit Kurzem spielen biobasierte Klebstoffkomponenten wieder eine größere Rolle. Hierbei steht nicht nur der Ersatz für herkömmliche Rohstoffe im Mittelpunkt, sondern insbesondere die Generierung von neuen Funktionalitäten, die mit biogenen Rohstoffen erreichbar sind. Diese beiden Aspekte stehen im Fokus von aktuellen Forschungsvorhaben, die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf Basis des Förderprogramms Nachwachsende Rohstoffe im Rahmen der Politstrategie Bioökonomie der Bundesregierung mit Fördermitteln für F&E-Projekte unterstützt. Dabei müssen die mengenmäßige Verfügbarkeit und die Preise, die Homogenität der Ausgangsstoffe, eine ausreichende Reaktivität und die Anforderungen an die Performance, die Recyclingfähigkeit sowie die Technologieanpassungen gewährleistet werden. Aktuell fördert das BMEL 47 Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit einer Gesamtfördersumme von rd. 10,5 Mio. €, darunter 39 Projekte im Förderaufruf "Klebstoffe und Bindemittel" mit einer Gesamtfördersumme von rd. 8,7 Mio. €.

Inhaltlich zielt die Förderung auf zwei Bereiche: Zum einen will das BMEL die Forschung zu Industrieklebstoffen forcieren. Hier sollen die Produkte so weit wie technisch und ökonomisch möglich aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen und Klebstoffsysteme mit neuen Eigenschaften und Funktionalitäten entwickelt werden. Zum anderen sollen künftig formaldehydhaltige Bindemittel in Holzwerkstoffen substituiert werden. Hierbei ist die Entwicklung sowohl biobasierter als auch konventioneller Produkte möglich.

Ein wichtiger Aspekt betrifft die Unbedenklichkeit der Produkte für Umwelt und Gesundheit - mit dem Ziel der Minderung oder sogar des Ersatzes schädlicher Stoffe in z. B. Holzprodukten, aber auch in Lebensmittelverpackungen. Dieser generelle Anspruch ist u. a. Ergebnis von Neueinstufungen bisher verwendeter Stoffe wie Formaldehyd, Borsäure und Natriumborate in gesetzlichen Regelungen. Laufende Vorhaben haben sich hier verschiedene Anwendungsbereiche und Zielsetzungen vorgenommen:

  • Formaldehydfreie Aminoharze auf Basis von Glykolaldehyd für Holzwerkstoffe und Dekorpapiere (22021114)
  • Verbundvorhaben: Boraxfreie Wellpappenherstellung (22027314, 22017315)
  • Verbundvorhaben: Entwicklung formaldehyfreier Dispersionsklebstoffe auf Basis von Polyvinylacetat und Zuckerderivaten für die Holzwerkstoffherstellung (22027514, 22003815)
  • Mehrcyclische organische Carbonate als Vernetzer für biobasierte und formaldehydfreie Klebstoffe (22027014)

Hotmelt- oder auch Schmelzklebestoffe sind lösungsmittelfreie Klebstoffe, die in erwärmter geschmolzener Form auf die Klebefläche aufgetragen werden und beim Abkühlen ihre feste Form und Klebewirkung entfalten. Hotmelt-Klebestoffe sind vielfältig einsatzbar wie z. B. bei der Verpackung sowie in der Holz-, Möbel- und Bauindustrie. Sie basieren derzeit fast ausschließlich auf petrochemischen Grundstoffen. In laufenden Vorhaben wollen Forscher Hotmelt-Klebstoffe auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen entwickeln, die in ihrer Performance und dem Preis-Leistungs-Verhältnis den petrochemischen in nichts nachstehen:

  • Entwicklung biobasierter nicht reaktiver Hotmelt-Klebstoffe (22026314)
  • Verbundvorhaben: Entwicklung biobasierter Hotmelt-Klebstoffe und deren Anwendung in Papier- und Kartonverpackungen (22021714, 22005515)
  • Verbundvorhaben: Haftschmelzklebstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe (22026814, 22004015, 22004115, 22004215, 22004315)

Im Förderschwerpunkt "Klebstoffe und Bindemittel" wurde u. a. auch der Fokus auf die Holz- und Holzwerkstoffindustrie gelegt. Hier sind aufgrund der sich zukünftig ändernden Rohstoffsituation mit einem steigenden Laubholz- und einem zurückgehenden Nadelholzanteil sowie der weiter geforderten Reduzierung von Emissionen (Formaldehyd und VOC) neue, technisch und wirtschaftlich konkurrenzfähige, umwelt- und gesundheitlich unbedenkliche Bindemittel und Klebstoffe notwendig. Dies wird von verschiedenen Projektkonsortien untersucht:

  • Verbundvorhaben: Holzfurnierprepregs mit anteilig-biobasiertem Bindemittel (22026014, 22005915, 22006015, 22006115, 22006215, 22006315)
  • Verbundvorhaben: Transglutaminase-quervernetzte Proteine als Bindemittel für Holzwerkstoffe (22025814, 22005315)
  • Entwicklung materialadaptierter Klebstoffsysteme zur Verwendung in keilgezinkten und flächenverklebten Vollholzwerkstoffen aus unbehandelten und modifizierten einheimischen Laubhölzern (22027114)
  • Entwicklung von innovativen Bindemitteln auf Basis von Aminosilan / Aminoplast zur Herstellung von Holzwerkstoffen (22018814)
  • Verbundvorhaben: Einfluss der Abbauprodukte des Holzes bei der Herstellung von mitteldichten Faserplatten (MDF) auf nachgelagerte Veredelungsprozesse mit emissionsarmen und ökologische vorteilhaften Klebstoffen (22026714, 22002316)
  • Verbundvorhaben: Serienreife Entwicklung eines beheizbaren Verbundwerkstoffes durch Funktionalisierung einer Bindemittelschicht bei der Fertigung klassischer Holzwerkstoffe (22026614, 22005115, 22005215)

Ein interessantes Anwendungsgebiet für Klebstoffe ist die Medizin. Im Verbundvorhaben "DextriPlast" entwickeln die Partner durch Modifizierung von Stärke einen mehrlagigen medizinischen Wundverband ("Pflaster"). Hierbei basiert nicht nur der Klebstoff auf Stärke, sondern auch die extrudierten Folien. Das Ziel ist ein Wundverband, der hautverträglich und gut ablösbar ("low-trauma") ist.

  • Verbundvorhaben: Entwicklung von biogenen Schmelzklebesystemen für medizinische Anwendungen (22027414, 22005415, 22022515)

Die Berührungspunkte mit Klebstoffen und Bindemitteln sind vielfältig. Laut Branchenverband stehen rund 50 % der in Deutschland produzierten Waren und Baudienstleistungen mit Klebstoffen in Verbindung. Wo nachwachsende Rohstoffe eine Rolle spielen oder spielen könnten, lässt sich abschließend in der Übersicht der aktuell geförderten Projekte des BMEL erkennen.

Stärke als Klebstoff; Quelle: FNR/Christoph Hoppenbrock